Die KAB feiert ihr 125-jähriges Bestehen
Ein voller Pfalzkeller setzte dem Jubiläumsanlass der KAB einen würdigen Rahmen. Anlässlich des 125-jährigen Bestens der christlichen Sozialbewegung sinnierten am Samstag illustre Gäste über die Zukunft unser wachstumsgetriebenen Wirtschaft. Die Feier wurde danach in der Schutzengelkapelle fortgesetzt.
Medienmitteilung vom 12. September
125 Jahre Christliche Sozialbewegung KAB
Die Christliche Sozialbewegung KAB feierte in St. Gallen ihr 125. Geburtsjahr. Und ging der Frage nach: Wie ist Wohlstand ohne schädliches Wachstum möglich?
Von Theo Bühlmann
Am 7. September 2024 fanden sich über 200 Frauen und Männer ein im Pfalzkeller des Klosterhofes St. Gallen. Norbert Ackermann, Präsident der st.gallischen Christlichen Sozialbewegung KAB, begrüsste die Jubiläumsversammlung. «Wir feiern den 125. Geburtstag gemeinsam mit der schweizerischen KAB und der Ur-Sektion St.Gallen-Dom.» 1899 war ganz in der Nähe der erste Katholische Arbeiterverein gegründet worden. Die Kirche hatte auf die industrielle Revolution und die entstandenen Nöte von Fabrikarbeitenden geantwortet: durch die 1891 erschienene Sozialenzyklika «Rerum Novarum» durch Papst Leo XIII. Darauf initiierten der St.Galler Bischof Augustin Egger und der Religionslehrer Johann Baptist Jung genossenschaftliche Selbsthilfeeinrichtungen und halfen, überkonfessionelle Gewerkschaften zu gründen. Sie linderten soziale Not in einer Gesellschaft noch ohne sozialstaatliches Auffangnetz. Und sie bemühten sich um politische und religiöse Bildung.
Viele soziale Verdienste
In der Folge breiteten sich ähnliche Organisationen in der ganzen Deutschschweiz aus. Sie erreichten in den besten Zeiten 390 Sektionen und 35‘000 Mitglieder. Sie atmeten viel Pioniergeist und bildeten die Arbeitenden sozialethisch. Es entstanden das Hilfswerk «Brücke · Le pont» und das «Sozialinstitut» (heute ethik22). Mit dem Verbandsmagazin «Treffpunkt» erschien 48 Jahre lang eine wichtige sozialpolitische Stimme der Schweiz. Die nach Geschlechtern getrennten Vereine gingen auf in der gemeinsamen «Katholischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmer-Bewegung». Als «Christliche Sozialbewegung KAB» wirkt sie nach wie vor hilfreich und lebensnah in die Gesellschaft hinein.
«Auch heute ist die soziale Dimension des Evangeliums essentiell», sagte der KAB SG-Präsident. «Die Soziallehre der Kirche bietet zuverlässige Wegweiser für eine menschengerechte Gesellschaft, mit ihren Prinzipien Personalität, Gemeinwohl, Solidarität, Subsidiarität, Nachhaltigkeit und Option für die Armen.» Aufbau eines christlich verankerten Netzwerks von Menschen mit Offenheit, Neugier und innerem Feuer, das ist die Vision für die Deutschschweiz.
Wohlfahrt ohne Wachstum?
Die Jubliläumsfeier diente nicht lediglich der Rückschau. Prof. Mathias Binswanger legte in seinem Referat dar, dass Wachstum in der Natur begrenzt ist. Die Geldwirtschaft scheint natürliche Grenzen aufzuheben. In kapitalistischen Gesellschaften müssen Unternehmen Gewinne erzielen, welche die Kosten übersteigen. Durch den Wettbewerb müssen sie besser als die Konkurrenz sein. «Die Wirtschaft zwingt zu weiterem Wachstum, auch wenn Menschen kein Bedürfnis nach noch mehr Konsum haben. Bei Stillstand gehen Firmen Konkurs, das System gerät in eine Abwärtsspirale. Doch Wachstum steigert den Wohlstand in hochentwickelten Ländern kaum noch und belastet die Umwelt.» Was lange bessere Lebensqualität verhiess, stellt sie heute infrage. «Braucht es andere Formen der Unternehmensorganisation? Reform der Aktiengesellschaften, mehr Genossenschaften, Stiftungen?», frage der Ökonom.
In einem Podium wies der ehemalige SRF-Bundeshauskorrespondent Hanspeter Trütsch als Gesprächsmoderator auf die Bundesverfassung, welche mit der gemeinsamen Wohlfahrt als Entwicklungsziel beginnt. FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher sieht darin «einen liberalen Kompass für Eigenverantwortung und dafür, wie wir leben möchten». Die staatlichen Rahmenbedingungen seien so zu setzen, dass es möglichst vielen gut geht. Und es gelte, subsidiär Hilfe zu leisten, wo Menschen nicht mehr aus der Not finden.
«Das Bruttoinlandprodukt als Kenngrösse des Wachstums misst zwar auch Dienstleistungen, aber die Umweltauswirkungen, die Verteilung des Wohlstandes sowie unbezahlte Arbeit nicht», stellte Franziska Ryser, Nationalrätin der Grünen, fest. «Dennoch gilt das BIP für politische Vorlagen als Massstab. Ich finde, das greift zu kurz, da sehe ich Handlungsbedarf.»
Thomas Wallimann-Sasaki, Leiter des Instituts «ethik22», erinnerte an den Satz in der Präambel: Dass sich die Stärke des Volkes am Wohl der Schwachen misst. «An dieser Grundausrichtung muss sich Wohlfahrt messen. Diese Werteauseinandersetzung können uns Staat und Gesetze nicht abnehmen.»
Wirtschaftswissenschaftler Mathias Binswanger reagierte auf einen Hauptaspekt des Podiums: die Einwanderung. «Wollen wir weiter ein Wachstum anstreben, das von ihr getrieben ist, aber nicht mehr Wohlstand, sondern Probleme schafft?»
Feiern, Danken, Hoffen
Im Festakt in der Schutzengelkapelle dankte Dompfarrer Beat Grögli allen Menschen, die in der 125jährigen Geschichte der Christlichen Sozialbewegung KAB Gutes vorlebten und begeisterten.» Im Glauben, Hoffen und Lieben, an Grundsätzen und Orientierungspunkten zu wachsen, dies sei auch im aktuellen gesellschaftlichen Diskurs entscheidend.
Durch den Tag begleitete das taufrische KAB-Kartenspiel mit sozialethischem Hintergrund namens «LeoXIII», das alle als Jubiläumsgeschenk erhielten. Der Papst selber stellt sich in der Spielanleitung vor. Das Spiel mit Parallelen zum «Uno»-Spiel funktioniert nach dem methodischen Dreischritt «Sehen-Urteilen-Handeln».
«Soziallehre» zu Wirtschaftsfragen
Päpstliche Sozialenzykliken bilden zusammen die «katholische Soziallehre». Bereits das erste «Rundschreiben» Rerum novarum 1891 forderte, die Wirtschaft müsse den Menschen ins Zentrum stellen. In den Sechzigerjahren verlangte Paul VI. in Populorum progressio einen gerechten Wachstumsprozess, denn der Friede hänge auch von der wirtschaftlichen Entwicklung ab.
Bereits das Konzil schrieb in Gaudium et spes: «Noch nie verfügte die Menschheit über so viel Reichtum, Möglichkeiten und wirtschaftliche Macht, und doch leidet ein ungeheurer Teil der Bewohner unserer Erde Hunger und Not.» Errungenschaften der Zivilisation müssten wirklich allen zugutekommen. Sie gerate in Gefahr, wenn sich nicht weisere, humanere Menschen entwickeln. Die fundamentale wirtschaftliche Zweckbestimmung müsse die Schaffung eines guten Lebens sein, «für jeden Einzelnen, jede Gruppe, für Menschen jeder Rasse und jeden Erdteils: im Hinblick auf ihre materiellen Bedürfnisse, aber auch auf das, was sie für ihr geistiges, sittliches, spirituelles und religiöses Leben benötigen». In Laudato si nannte Papst Franziskus als grösste Gefahr für die Welt Gewinnmaximierung und die Finanzwirtschaft. Die Soziallehre macht klar: Das Wirtschaftssystem ist von Menschen gemacht, und kann von ihnen geändert werden. Gefordert ist die Weltpolitik.
Medienmitteilung vom 12. September
125 Jahre Christliche Sozialbewegung KAB
Die Christliche Sozialbewegung KAB feierte in St. Gallen ihr 125. Geburtsjahr. Und ging der Frage nach: Wie ist Wohlstand ohne schädliches Wachstum möglich?
Von Theo Bühlmann
Am 7. September 2024 fanden sich über 200 Frauen und Männer ein im Pfalzkeller des Klosterhofes St. Gallen. Norbert Ackermann, Präsident der st.gallischen Christlichen Sozialbewegung KAB, begrüsste die Jubiläumsversammlung. «Wir feiern den 125. Geburtstag gemeinsam mit der schweizerischen KAB und der Ur-Sektion St.Gallen-Dom.» 1899 war ganz in der Nähe der erste Katholische Arbeiterverein gegründet worden. Die Kirche hatte auf die industrielle Revolution und die entstandenen Nöte von Fabrikarbeitenden geantwortet: durch die 1891 erschienene Sozialenzyklika «Rerum Novarum» durch Papst Leo XIII. Darauf initiierten der St.Galler Bischof Augustin Egger und der Religionslehrer Johann Baptist Jung genossenschaftliche Selbsthilfeeinrichtungen und halfen, überkonfessionelle Gewerkschaften zu gründen. Sie linderten soziale Not in einer Gesellschaft noch ohne sozialstaatliches Auffangnetz. Und sie bemühten sich um politische und religiöse Bildung.
Viele soziale Verdienste
In der Folge breiteten sich ähnliche Organisationen in der ganzen Deutschschweiz aus. Sie erreichten in den besten Zeiten 390 Sektionen und 35‘000 Mitglieder. Sie atmeten viel Pioniergeist und bildeten die Arbeitenden sozialethisch. Es entstanden das Hilfswerk «Brücke · Le pont» und das «Sozialinstitut» (heute ethik22). Mit dem Verbandsmagazin «Treffpunkt» erschien 48 Jahre lang eine wichtige sozialpolitische Stimme der Schweiz. Die nach Geschlechtern getrennten Vereine gingen auf in der gemeinsamen «Katholischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmer-Bewegung». Als «Christliche Sozialbewegung KAB» wirkt sie nach wie vor hilfreich und lebensnah in die Gesellschaft hinein.
«Auch heute ist die soziale Dimension des Evangeliums essentiell», sagte der KAB SG-Präsident. «Die Soziallehre der Kirche bietet zuverlässige Wegweiser für eine menschengerechte Gesellschaft, mit ihren Prinzipien Personalität, Gemeinwohl, Solidarität, Subsidiarität, Nachhaltigkeit und Option für die Armen.» Aufbau eines christlich verankerten Netzwerks von Menschen mit Offenheit, Neugier und innerem Feuer, das ist die Vision für die Deutschschweiz.
Wohlfahrt ohne Wachstum?
Die Jubliläumsfeier diente nicht lediglich der Rückschau. Prof. Mathias Binswanger legte in seinem Referat dar, dass Wachstum in der Natur begrenzt ist. Die Geldwirtschaft scheint natürliche Grenzen aufzuheben. In kapitalistischen Gesellschaften müssen Unternehmen Gewinne erzielen, welche die Kosten übersteigen. Durch den Wettbewerb müssen sie besser als die Konkurrenz sein. «Die Wirtschaft zwingt zu weiterem Wachstum, auch wenn Menschen kein Bedürfnis nach noch mehr Konsum haben. Bei Stillstand gehen Firmen Konkurs, das System gerät in eine Abwärtsspirale. Doch Wachstum steigert den Wohlstand in hochentwickelten Ländern kaum noch und belastet die Umwelt.» Was lange bessere Lebensqualität verhiess, stellt sie heute infrage. «Braucht es andere Formen der Unternehmensorganisation? Reform der Aktiengesellschaften, mehr Genossenschaften, Stiftungen?», frage der Ökonom.
In einem Podium wies der ehemalige SRF-Bundeshauskorrespondent Hanspeter Trütsch als Gesprächsmoderator auf die Bundesverfassung, welche mit der gemeinsamen Wohlfahrt als Entwicklungsziel beginnt. FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher sieht darin «einen liberalen Kompass für Eigenverantwortung und dafür, wie wir leben möchten». Die staatlichen Rahmenbedingungen seien so zu setzen, dass es möglichst vielen gut geht. Und es gelte, subsidiär Hilfe zu leisten, wo Menschen nicht mehr aus der Not finden.
«Das Bruttoinlandprodukt als Kenngrösse des Wachstums misst zwar auch Dienstleistungen, aber die Umweltauswirkungen, die Verteilung des Wohlstandes sowie unbezahlte Arbeit nicht», stellte Franziska Ryser, Nationalrätin der Grünen, fest. «Dennoch gilt das BIP für politische Vorlagen als Massstab. Ich finde, das greift zu kurz, da sehe ich Handlungsbedarf.»
Thomas Wallimann-Sasaki, Leiter des Instituts «ethik22», erinnerte an den Satz in der Präambel: Dass sich die Stärke des Volkes am Wohl der Schwachen misst. «An dieser Grundausrichtung muss sich Wohlfahrt messen. Diese Werteauseinandersetzung können uns Staat und Gesetze nicht abnehmen.»
Wirtschaftswissenschaftler Mathias Binswanger reagierte auf einen Hauptaspekt des Podiums: die Einwanderung. «Wollen wir weiter ein Wachstum anstreben, das von ihr getrieben ist, aber nicht mehr Wohlstand, sondern Probleme schafft?»
Feiern, Danken, Hoffen
Im Festakt in der Schutzengelkapelle dankte Dompfarrer Beat Grögli allen Menschen, die in der 125jährigen Geschichte der Christlichen Sozialbewegung KAB Gutes vorlebten und begeisterten.» Im Glauben, Hoffen und Lieben, an Grundsätzen und Orientierungspunkten zu wachsen, dies sei auch im aktuellen gesellschaftlichen Diskurs entscheidend.
Durch den Tag begleitete das taufrische KAB-Kartenspiel mit sozialethischem Hintergrund namens «LeoXIII», das alle als Jubiläumsgeschenk erhielten. Der Papst selber stellt sich in der Spielanleitung vor. Das Spiel mit Parallelen zum «Uno»-Spiel funktioniert nach dem methodischen Dreischritt «Sehen-Urteilen-Handeln».
«Soziallehre» zu Wirtschaftsfragen
Päpstliche Sozialenzykliken bilden zusammen die «katholische Soziallehre». Bereits das erste «Rundschreiben» Rerum novarum 1891 forderte, die Wirtschaft müsse den Menschen ins Zentrum stellen. In den Sechzigerjahren verlangte Paul VI. in Populorum progressio einen gerechten Wachstumsprozess, denn der Friede hänge auch von der wirtschaftlichen Entwicklung ab.
Bereits das Konzil schrieb in Gaudium et spes: «Noch nie verfügte die Menschheit über so viel Reichtum, Möglichkeiten und wirtschaftliche Macht, und doch leidet ein ungeheurer Teil der Bewohner unserer Erde Hunger und Not.» Errungenschaften der Zivilisation müssten wirklich allen zugutekommen. Sie gerate in Gefahr, wenn sich nicht weisere, humanere Menschen entwickeln. Die fundamentale wirtschaftliche Zweckbestimmung müsse die Schaffung eines guten Lebens sein, «für jeden Einzelnen, jede Gruppe, für Menschen jeder Rasse und jeden Erdteils: im Hinblick auf ihre materiellen Bedürfnisse, aber auch auf das, was sie für ihr geistiges, sittliches, spirituelles und religiöses Leben benötigen». In Laudato si nannte Papst Franziskus als grösste Gefahr für die Welt Gewinnmaximierung und die Finanzwirtschaft. Die Soziallehre macht klar: Das Wirtschaftssystem ist von Menschen gemacht, und kann von ihnen geändert werden. Gefordert ist die Weltpolitik.