Kerzli-Rekord in der Kathedrale

2023 sind in der St.Galler Kathedrale 180‘000 Kerzli angezündet worden. Das ist die mit Abstand grösste Zahl, die je erreicht wurde. Der Gewinn aus dem Umsatz geht an soziale Projekte.

Entgegen der Negativschlagzeilen über die Katholische Kirche hat die St.Galler Kathedrale 2023 an Attraktivität gewonnen. Darauf lässt jedenfalls ein neuer Rekord schliessen: 2023 wurden 180‘000 Kerzli angezündet. Das sind täglich fast 500 und so viele wie noch nie – auch nicht vor Corona. Vor den Jahren mit pandemiebedingten Einschränkungen waren es jeweils etwa 160'000 Kerzli jährlich. Für diesen Boom dürften mehrere Gründe eine Rolle spielen. Dompfarrer Beat Grögli geht davon aus, dass nach der Pandemie die Besucherzahl in der Kathedrale stark gestiegen ist. Zwar werden die Besuche nicht systematisch erfasst. Im Gegensatz zum Grossmünster in Zürich, das ebenso einen Höchstwert vermeldet («SRF-Tagesschau» vom 28. Januar). Beat Grögli kann dafür die Zahlen der Stiftsbibliothek einbeziehen. Diese verzeichnete im Jahr 2023 mit rund 160‘000 Gästen ebenfalls einen Besucherrekord («St.Galler Tagblatt» vom 25. Januar). Grögli ist sich sicher: «Wer die Stiftbibliothek, den Gewölbekeller und den Ausstellungssaal besucht, will auch die Kathedrale erleben.» Es liegt also nahe, dass die steigenden Touristenzahlen sich auch positiv auf den Kerzli-Umsatz ausgewirkt haben. 

Zeichen der Hoffnung
Doch alleine mit grösseren Touristenströmen lässt sich der Kerzli-Boom nicht erklären. Denn es scheint geradezu paradox, dass in einer für die katholische Kirche schwierigen Zeit Opferkerzli so beliebt sind wie noch nie. Der Grund für das Interesse mag an der Einfachheit und Sinnlichkeit des Rituals liegen: «Kerzli anzuzünden ist eine Handlung, die jeder versteht und die man gut zusammen machen kann», sagt der Dompfarrer und vergleicht: «Mit jemand anderem zusammen zu beten, ist viel schwieriger.»
Kerzen hatten in der katholischen Tradition schon immer eine grosse Bedeutung. Die Kerze, die «sich verzehrt» und so Licht gibt, ist ein starkes Symbol. Die Gründe für das Anzünden einer Kerze sind vielfältig. Laut Grögli kann jemand so der eigenen Hilf- oder Sprachlosigkeit ein Zeichen der Hoffnung entgegensetzen. «Vieles in unserem Leben liegt nicht in unserer Hand. Man kann zum Beispiel – trotz vielem Bemühen – in einer Konfliktsituation den Frieden nicht einfach herbeiführen. Aber man kann ein Hoffnungslicht anzünden.»

Für soziale Projekte
Ein Kerzli kostet seit Jahr und Tag einen Franken, womit jedoch nicht nur der Materialpreis gedeckt wird. Der Gewinn aus dem Umsatz geht an soziale Projekte, wie dies bei Kollekten in einem katholischen Gottesdienst der Fall ist. Unterstützt werden etwa Schulen in Südamerika oder Friedensprojekte im Nahen Osten. Aber auch lokale Projekte wie die Gassenküche oder die «DomMusik» bekommen hin und wieder einen Zustupf aus der Kerzli-Kasse.
Bei so viel Wachsverbrauch wird beim Material auf beste Qualität geachtet: «Unsere Kerzli erzeugen wenig Russ, brennen gut und bestehen aus einem umweltfreundlichen Raps-Kokoswachs», sagt Dompfarrer Beat Grögli. Die Plastikbecher werden recycelt. Man arbeite eng mit der Ostschweizer Hongler Kerzen AG zusammen und entwickle das Produkt laufend fort.

Bild und Text: Sebastian Schneider, Kath. Kirchgemeinde St.Gallen

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